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brand eins, Mai 2009                                                                                                     zurück zur Übersicht

Hans Dampf auf allen Feldern

Einen Hofladen haben inzwischen so einige Landwirte. Aber kaum einer sorgt mit so vielen Ideen für Kundschaft wie der Kölner Rolf-Georg Dünn.

- "Mir geht's richtig gut", sagt Rolf-Georg Dünn und spricht damit etwas aus, das aus dem Munde eines Landwirts ganz und gar ungewöhnlich klingt. Und er weiß das.

Jedes Jahr geben drei Prozent seiner Kollegen in Deutschland ihren Hof auf, weil sich die Landwirtschaft nicht mehr lohnt. Um ordentlich über die Runden zu kommen, dafür braucht es in Deutschland große Flächen und üppige Subventionen. Bio wäre ein Ausweg, doch dafür braucht man Geduld, und außerdem fallen auch in dieser Nische die Preise. Landwirte führen heute ein Leben in Abhängigkeit von Handel und Steuerzahler. Eine der Erklärungen dafür lautet: Sie tun auf ihren Feldern nur, was sie schon immer getan haben - sie ackern für andere.

"So will ich nicht leben", sagt Rolf-Georg Dünn. Er lehnt an seinem Trecker auf Gut Clarenhof am Stadtrand von Köln. Blaues Polo-Shirt, blaue Jeans, raue Haut. Und weil Dünn so nicht leben will, hat er vor einigen Jahren angefangen, darüber nachzudenken, was er mit seiner Fläche noch tun könnte, statt Jahr für Jahr mit dem Pflug tiefe Furchen in seine Äcker zu ziehen. Heute weiß er, der Wert seines Bodens richtet sich nicht nur nach den darin enthaltenen Nährstoffwerten. Sondern auch danach, was man daraus macht.

Der Landwirt ist 57 Jahre alt. Er hat seinen Hof aufgestellt wie gute Unternehmer ihre Firma - wenn es einer Abteilung mal schlecht geht, gleicht die andere es aus. Dünn ist alles in einem: konventioneller Bauer, Biobauer, er betreibt einen Hofladen, einen Golfplatz und ein Restaurant, er vergibt Boden an Hobbygärtner aus der Stadt und hält Flächen bereit für Menschen, die ihre Erdbeeren selbst pflücken wollen. "Ich will Sicherheit, deshalb geht es mir um Synergien", sagt er. "Den Handel weitgehend auszuschalten, das war schon immer mein Ziel. Dafür brauche ich Stammkunden, die auf meinen Hof kommen, auch außerhalb der Saison."

1982 übernahm Dünn den Hof von seinen Eltern. "Meine Seele klebt am Acker", sagt er. Doch allein mit Zuckerrüben, Weizen und ein paar Legehennen kam er auf keinen grünen Zweig. Damals musste er seinen Eltern noch eine Rente überweisen. "Eine enorme Last war das. Ich brauchte dringend neue Geschäftsfelder. Da dachte ich: Dein Hof liegt in Sichtweite Kölns. Warum präsentierst du den Städtern nicht das, was ihnen fehlt?" Also legte er zehn Hektar Felder an für Selbstpflücker: Tulpen und Osterglocken, Spargel und Erdbeeren. Heute stehen daneben auf sechs Hektar Weihnachtsbäume, für Selbstsäger.

Nur auf den ersten Blick sieht es so aus, als würde der Landwirt damit einen Teil seines Berufs aufgeben. Tatsächlich erreicht Dünn so ein wichtiges Ziel: "Ich kann Qualität definieren. Nehmen wir die Erdbeeren: Im Handel geht es um gute Optik. Mir geht es um guten Geschmack. Dafür braucht es reife Früchte. Beim Selbstpflücken ist das ideal, im Supermarkt aber verderben die Beeren zu schnell." Trotzdem beliefert er bis heute auch an den Handel, "als Risikoausgleich", obwohl sich das nicht wirklich auszahlt. Von seinen Erdbeer-Erlösen stammen 90 Prozent aus Direktvermarktung und von Selbstpflückern.

Mit den Selbstbedienungsflächen beginnt Dünn damals seinen Betrieb zu diversifizieren. Als die Städter auf den Feldern seine Beeren einsammeln, sagt er zu sich: "Ich habe die Leute auf dem Hof. Jetzt muss ich sie kanalisieren." Am besten, er lenkt sie in seinen eigenen Laden, da muss er von der Marge nichts abgeben. Bio wird populär, also stellt er 30 seiner damals 150 Hektar auf Bio gemäß EU-Norm um und baut Kartoffeln, Karotten und Spargel an. Seinen Hofladen stellt er direkt an die Straße, auf der heute rund 35 000 Autos am Tag vorbeifahren. Dort verkauft er, was der eigene Boden hergibt. Fleisch, Milch und Obst kauft er hinzu.

Dabei vermeidet der Unternehmer einen großen Fehler. Er tauscht die Abhängigkeit vom Agrarhandel nicht gegen die Abhängigkeit von Hofkunden. Erdbeeren können komplett verhageln. "Und Bio", sagt er, "ist eine Mode, aber keine Grundlage." Mehr Bio-Fläche will er daher nicht. Dünn rechnet: "Nehmen wir mal Kartoffeln. Da bekomme ich zwar den dreifachen Preis, und das ist einsame Spitze. Pro Hektar wächst aber nur ein Fünftel dessen, was bei konventionellem Anbau rauskommt. Das bringt am Ende keinen Vorteil." Nur wegen der Umstellungsprämie auf Bio-Landwirtschaft zu wechseln, wie es viele seiner Kollegen tun, reiche ihm als Grund nicht aus. "Wenn die Prämien nicht mehr fließen, stellen sie wieder um auf konventionell."

Da vergrößert er lieber seine Hühnerhaltung - 7400 Hennen hat er inzwischen - und pachtet konventionelle Flächen hinzu. Inzwischen ist er Herr über 270 Hektar Ackerland. "Mein Ziel ist Autarkie", sagt Dünn. "Dafür brauche ich einen eigenen Maschinenpark. Der rechnet sich aber nur, wenn ich große Äcker habe. Hennen, Rüben und Getreide sind nach wie vor das Fundament. Was ich zusätzlich mache, soll den Ackerbau stützen. Mir selbst gehören nur 40 Hektar Land, für den Rest zahle ich 120 000 Euro Pacht im Jahr. Deshalb muss Geld rein, und zwar krisenfest. Also muss ich vielseitig sein, und ich traue nur dem, was ich selbst beeinflussen kann."

Ausflugsziel Bauernhof: Golfplatz, Garten, Gemüseladen - für jeden ist etwas dabei

So wie bei der Sache mit dem Golfplatz. "Mein Findelkind", nennt Dünn das satte Grün mit sechs Löchern und weitläufigem Abschlagplatz, direkt neben seinem Haus. Vor zwölf Jahren wachsen da noch Kraut und Rüben. Dann steht eines Tages ein Sportstudent auf Gut Clarenhof und fragt ihn, ob er ihm elf Hektar Land für einen Golfplatz verpachten würde. Dünn ist eher ein bodenständiger Typ, mit dem Golfsport hat er nicht viel am Hut. Aber er weiß: Jeder Golfer ist ein potenzieller Kunde in seinem Hofladen. Dünn kratzt seine Ersparnisse zusammen und baut den Platz - die Umsätze in seinem Hofladen steigen. Und er findet endgültig Gefallen daran, mehr zu sein als nur Landwirt. "Der Golfplatz war der Startschuss", sagt er. Wo früher Obstbäume standen, zieht er wenig später ein Restaurant hoch und verpachtet es an einen Italiener, der jedes Jahr einige Tausend Gäste auf den Hof lockt. Er baut Wohnungen auf seinem Hof, ein Clubhaus, einen Spielplatz. Seit zwei Jahren kann man auf Gut Clarenhof auch Minigolf spielen. Der Sportstudent von damals betreibt den Golfplatz noch immer. "So einen Unternehmertyp" sieht Dünn gern.
Er kassiert Pachteinnahmen und hat es geschafft, seinen Hof zum Ausflugsort für Spaziergänger und Pendler zu machen, ohne zum Entertainer werden zu müssen. Ganz bewusst betreibt er seine Nebenaktivitäten nicht selbst. Wenn schönes Wetter ist, muss er auf den Acker, da kann er sich nicht um den Hofladen und den Golfplatz kümmern. So verdient er Geld nebenher, und obendrein gefällt es ihm auch noch. Sein neuestes Projekt ist das "Gartenglück".

Vor vier Jahren besuchen ihn auf dem Hof zwei Jungbauern, die ihm eine Idee vortragen, auf die er selbst nicht gekommen wäre: Man nehme einen Acker und teile ihn in 80 Parzellen zu je 100 Quadratmetern. Dann verpachte man die Parzellen für eine Gartensaison an Städter mit Lust auf Jäten, Hacken und Ernten. Man säe etwa 30 verschiedene Gemüsesorten auf den Parzellen aus, um die sich die naturverrückten Pächter kümmern. Und wenn sie etwas anderes wollen, verkaufe man ihnen die entsprechenden Setzlinge. Ein Naturgarten mit Beratung - und fertig ist die Geschäftsidee.

Es passt zu Dünn, dass er sich diese Gelegenheit nicht entgehen lässt. Er will Pflanzen für Menschen wachsen sehen, nicht für Prämien. Er musste ein Feld räumen, darüber hinaus zieht er in jedem Frühjahr nur kurz die Egge über den Acker und liefert das Wasser. Den Rest erledigen seine Mieter. "Das ist doch ein Klacks für mich", sagt Dünn. Er profitiert von dem, was den Hobbygärtnern misslingt oder was sie nicht pflanzen können - sie kaufen es dann bei ihm im Hofladen.

Und ganz nebenbei ist sein Hof um eine Attraktion reicher. "Das Gartenglück macht uns schön", sagt Dünn. "Es ist doch ein wunderbares Bild, wie die Leute dort hacken und pflücken. Ich liebe das, solch einen offenen Hof. Außerdem führt es die Menschen wieder an die Ursprünge ihrer Nahrung heran. Langfristig kann das allen Bauern nur nützen."
Dünns Weitsicht rechnet sich schon heute. Seine Diversifikation trägt Früchte, gerade jetzt, wo die Kredite allmählich abgezahlt sind. Konventioneller Ackerbau, Direktvermarktung über den Hofladen und die sonstigen Aktivitäten ergeben jeweils ein Drittel seines Einkommens. Zuletzt hat er 240 000 Euro Gewinn vor Steuern gemacht. "Würde ich einfach nur ackern", sagt Rolf-Georg Dünn, "hätte ich die Hälfte."

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